Eine Neovagina muss geschaffen werden, und zwar in einem Bereich des Körpers an dem kein Platz dafür vorgesehen ist – zwischen Blase/Prostata und dem Enddarm. Dazwischen liegt noch die Muskulatur des Beckenbodens, die ja die gesamten Eingeweide trägt. Wie man aufgrund der Ausgangssituation schon schließen kann, ist ein Eingriff in diesem Bereich nicht nur chirurgisch besonders anspruchsvoll, sondern auch, anatomisch bedingt, nicht ungefährlich.
Der Vereinfachung halber unterscheiden wir in der Folge zwischen drei Aspekten:
Ästhetik, Anatomie und Funktionalität.
Ästhetik
Neben allen funktionellen Aspekten spielt die Ästhetik eine mehr als bedeutende Rolle, da sie ja über die zu lebende Normalität in der neuen Geschlechterrolle bestimmt. Alles soll so positioniert sein, dass es echt und natürlich aussieht. Die Größenrelationen zueinander, die Dimension der Klitoris und der großen Schamlippen, die Imitation der kleinen Schamlippen – wichtige Teilaspekte, von denen jeder einzelne wesentlich zum Erzielen eines gelungenen Gesamten beiträgt.
Aus chirurgischer Sicht gesehen sind neben fachlichem Können auch großes räumliches Vorstellungsvermögen und „bildhauerisches“ Talent gefragt. Man darf nicht vergessen, dass der Genitalbereich der PatientInnen im Liegen, mit gespreizten Beinen und stark geschwollenem, teilweise blutendem Areal, „modelliert“ wird – das Endergebnis hingegen auch im Stehen und abgeheiltem Zustand optimal und zufriedenstellend aussehen muss. Deshalb bedarf es oft kleinerer Korrektureingriffe (nach ca. 6 Monaten), um quasi einen Feinschliff zu machen.
Anatomie
Aufgrund der individuell verschiedenen anatomischen Voraussetzungen ergeben sich die unterschiedlichen postoperativen Ergebnisse und Größenrelationen (Vagina, Schamlippen, Klitoris):
- Die tiefe der neuen Vagina hängt weitgehend von der „Grundausstattung“ des Mannes ab (Länge/Durchmesser des Penis, evtl. Beschneidung der Vorhaut). Aus dem umgedrehten und eingestülpten Hautschlauch des Penis entsteht die Neovagina, sein „offenes“ Ende bildet die kleinen Schamlippen.
- Ein weiterer Faktor ist die Ausgangssituation eine Höhle im Bauchbereich schaffen zu können (z.B. viel Bauchfett drückt nach unten und lässt weniger Spielraum).
- aus dem Hodensack werden die großen Schamlippen gewonnen
- ein Teilstück der Eichel wird zur Klitoris
Funktionalität
Harnröhre
Anatomisch gesehen haben Männer eine längere Harnröhre, auch gibt es ethnische Unterschiede, wo diese jeweils mündet. Das sind die Knackpunkte.
Die Harnröhre des Mannes ist in einen Schwellkörper des Penis integriert. Durch die Amputation der Schwellkörper wird sie bei der Operation verkürzt und muss mit ihrer Öffnung/Mündung neu platziert werden.
Die Entfernung der Schwellkörper ist chirurgisch nicht ganz einfach, da diese sehr gut durchblutet sind und die auftretenden Blutungen unter Kontrolle gehalten werden müssen. Ihre weitgehende Entfernung ist für den gesamten OP-Erfolg jedoch sehr wichtig, da sonst
- einerseits bei Erektionen Schmerzen auftreten (denn Erektionen werden vom Gehirn aus gesteuert, können also chirurgisch nicht eliminiert werden)
- andererseits der Eingang in die Neovagina, durch noch vorhandene Restschwellkörper, teilweise oder auch größtenteils versperrt sein kann.
Zentrale Bedeutung kommt auch dem Austrittswinkel der neuen Harnröhre zu. Denn schon eine seitliche Abweichung von nur 15 Grad bedeutet, dass der Harnstrahl auf den Oberschenkel trifft. Oder eine diesbezügliche Abweichung nach vorne, dass Frau im Sitzen über die Klomuschel hinaus uriniert.
Neovagina
Sie wird aus dem umgestülpten Hautschlauch des Penis konstruiert, daher ist ihre Tiefe (in der Regel sind 6 – 8 cm realistisch) auch primär von der ursprünglichen Penislänge abhängig. Dementsprechend sind auch keine Schleimhäute vorhanden, d.h. Eindringen ist nur mit Gleitmittel möglich. Nach abgeschlossener Wundheilung muss sie über viele Monate hinweg mit Dildos aufgedehnt werden, um die maximale Größe erlangen zu können.
Orgasmusfähigkeit
Die Neoklitoris wird aus einem Segment der Eichel gewonnen. Dadurch bleibt sowohl die Natürlichkeit des äußeren Erscheinungsbildes, als auch die der gefühlsmäßigen Empfindung gewahrt. Um die Orgasmusfähigkeit erhalten zu können, müssen sowohl Durchblutung als auch Nervenversorgung gewährleistet werden. Das Eichelsegment wird zusammen mit den Hauptnerven und Blutgefäßen isoliert und bleibt dadurch auch während der gesamten Operation gut durchblutet und gefühlssensibel.
mögliche Komplikationen
Neoklitoris (in 5 % aller Fälle)
Treten hierbei intraoperative (anatomische Abnormitäten, Blutungen, etc.) oder postoperative Probleme (Wundheilungsstörung, Infektion, Blutergüsse, etc.) auf, dann stirbt die neue Klitoris – und somit auch die Möglichkeit, etwas zu empfinden – ab. In solchen Fällen muss rechtzeitig operativ saniert – nämlich alles kaputte bzw. abgestorbene Gewebe – entfernt werden, um sie zu retten.
Verletzungen des Enddarms/der Blase (treten im einstelligen Prozentbereich auf)
Bei der OP (oder durch Infektionen auch im postoperativen Verlauf) können (durch Verwachsungen, besonders dünne Schleimhäute, abgelaufene Infektionen, etc.) Enddarm und/oder Blase verletzt werden. Die Folge kann ein permanenter oder zumindest zeitweiliger anus praeter (seitlicher Darmausgang) sein. Verletzungen im Blasenbereich heilen in der Regel hingegen sehr gut ab.
Blutungen in der Bauchhöhle bzw. im kleinen Becken
Die Muskulatur des Beckenbodens (extrem stark blutende Beckenvenen) sowie der gesamte Bauchbereich mit allen Eingeweiden, sind ein besonders intensiv durchblutetes Areal. Kommt es hier zu Verletzungen, so können die daraus resultierenden Blutungen grundsätzlich nur sehr schwierig bis gar nicht gestillt werden. Daher kann es in Extremfällen vorkommen, dass der gesamte Bauch (im Rahmen einer solchen Komplikation) von oben hinab aufgeschnitten werden muss. Auch Todesfälle sind in der Literatur beschrieben.
Darmverlegungen
Vor allem Kliniken in Asien werben mit dieser Methode, um eine tiefere Vagina konstruieren zu können. Tiefere Neo-Vaginas (ca. 20 cm) sind nur mit Öffnung der Bauchhöhle und Darmverlagerung möglich. Das Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen ist hierbei extrem hoch (Absterben des Darmes, Wundheilung).
Anmerkung: Je tiefer die Neo-Vagina, umso größer auch der Gleitmittelbedarf (keine Schleimhäute vorhanden). Die Menge an Gleitmittel, die man einführen muss, ist daher auch die Menge, die durch die Öffnung wieder austreten wird…